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Lokales » Ingolstadt » Politik » Stadt rät zur Vorsicht: Keine Notfallrettung ab Freitag
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Stadt rät zur Vorsicht: Keine Notfallrettung ab Freitag

11. August 2018 von Hans-Jürgen Feig

Ingolstadt (MK) Ab 17.08.2018 werden in Ingolstadt vorerst keine Rettungswagen mehr fahren. Die Stadtspitze begründet diese Maßnahme offiziell mit dem Fahrzeug-Zulassungsrecht. Aber auch das unverhältnismäßig hohe Patientenaufkommen in der Notaufnahme der Akutklinik am Friedrichshof spielt wohl eine Rolle bei der Entscheidung, den Rettungsdienst vorerst einzustellen.

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Die Rettungswagen der Ingolstädter Hilfsorganisationen bleiben ab 17. August vorerst in den Garagen. Bürgermeister Weiherhauser hat angeordnet, dass alle Rettungswagen der Stadt einer Überprüfung zu unterziehen sind. Es müsse geklärt werden, ob die Wagen den technischen Anforderungen entsprechen und ob alle Papiere korrekt ausgestellt sind. Es könne einige Monate dauern, bis die anhängigen Verfahren beim Zulassungsgericht abgeschlossen sind. „Bis dahin bleiben die Autos auf jeden Fall in den Hallen. Ich gehe davon aus, dass wir die Fahrzeuge auch auf Dauer stilllegen müssen“, so Weiherhauser.

Die Hilfsorganisationen, allen voran die ehrenamtlichen Kreuzretter, kritisieren die Behörden aufs Schärfste: „Wir haben gut ausgebildetes Personal, wir haben die entsprechende Ausrüstung und wir stehen bereit. Wir sind uns sicher, dass alle Fahrzeuge korrekt zugelassen sind und hatten in der Vergangenheit auch nie Probleme mit den Behörden“, äußert sich Holger Busch, der Geschäftsführer der Kreuzretter. „Die Maßnahme können wir nicht nachvollziehen. Allein am ersten Wochenende werden wir mit etwa vierzig zusätzlichen Todesfällen in der Stadt rechnen müssen. Für uns ist das unterlassene Hilfeleistung.“

Diese Argumentation lässt die Stadtspitze nicht gelten: „Wir müssen langsam mal aufhören, Menschen, die sich selbst in Gefahr gebracht haben, auch noch mit einer Heilbehandlung zu belohnen. Wie soll ich dem Wähler, der monatlich horrende Kassenbeiträge zahlt, erklären, dass wir für einen Motorradfahrer, der ja um sein Risiko weiß, für Genussmenschen, die ständig zu fett essen, für ein Kleinkind, das trotz Verbotes mit Feuer spielt… dass wir für diese Menschen unsere beschränkten Kapazitäten der Notaufnahme zur Verfügung stellen?“

Hier könnte das eigentliche Problem liegen: Die Wartezimmer der Ingolstädter Akutklinik am Friedrichshof sind überfüllt. „Wir arbeiten auf politischer Ebene mit Hochdruck daran, die angespannte Lage trotz der knappen Personalsituation bald – und auch zur Zufriedenheit der Krankenhaus-Aktionäre – in den Griff zu bekommen. Als Bürgermeister muss ich das Ganze im Blick haben. Ärzte haben mir versichert, dass viele Leiden jahrelang zu Unrecht als Krankheiten behandelt wurden: Bluthochdruck, ein milder Diabetes oder Gehirnerschütterungen sind auch ohne Aufnahme in ein Krankenhaus oft für eine gewisse Zeit gut überlebbar.“ In der Einstellung der Notfallrettung sehe Weiherhauser vielmehr eine Chance. So würde derzeit über die Hälfte der Patienten der Notaufnahme vom Rettungsdienst gebracht. „Ohne Sanka können wir die Patientenzahlen beinahe halbieren, ad hoc, und zwar ohne Geld in die Hand nehmen zu müssen“. Weitere Maßnahmen seien die Überarbeitung des Leistungskatalogs der Klinik und „klare Kante“, so Weiherhauser, „denn wenn die Leute wissen, dass man mit einem leichten Schlaganfall gar nicht in der Notaufnahme aufschlagen braucht, weil man ohnehin abgewiesen wird, wird sich das unter den Kranken schnell herumsprechen.“ Und er fügt lachend hinzu: „Wenn sie mit ihrem Schlaganfall noch sprechen können“.

Er räumt ein, dass es mittelfristig vereinzelt zu zusätzlichen Todesfällen kommen könnte. Langfristig erwarte man aber eine sinkende Risikobereitschaft in der Bevölkerung. Im diesjährigen Haushalt habe man die Ausgaben für Prävention und Gesundheitserziehung wegen der anstehenden Renovierung des Zeughauses zwar kürzen müssen, aber hier sehe man Potential für langfristige Lösungen, heißt es von der Stadtspitze.

Dr. Theodora Merklin, Leiterin der örtlichen Notaufnahme, hat zwar Bauchschmerzen mit der Entscheidung, trägt sie aber mit. „Unsere Notaufnahme ist natürlich dafür da, jedem Herzinfarkt-Patienten zu helfen. Das ist unsere Pflicht als Ärzte! Man muss aber auch wissen, dass sich bei der Mehrzahl der Menschen, die sich mit Brustschmerzen in der Notaufnahme vorstellen, später herausstellt, dass ihre Beschwerden eine ganz andere Ursache haben. Viel könnte man da schon zu Hause regeln, statt sich in die Notaufnahme fahren zu lassen: Beispielsweise ätherische Öle inhalieren oder den linken Arm massieren“, so Merklin. Bevor man in die Notaufnahme kommt, solle man sich definitiv sicher sein, dass man wirklich in Lebensgefahr ist. Ein gutes diagnostisches Mittel, das auch Laien selbst anwenden können, sei hier beispielsweise, erst einmal abzuwarten. „Aus Erfahrung wissen wir auch, dass gerade die Menschen, die unsere Hilfe am dringendsten bräuchten, es gar nicht erst zu uns schaffen, sondern oft schon zu Hause bewusstlos zusammenbrechen. Unser derzeitiges System hilft aber denen, die im Vergleich ohnehin deutlich besser dran sind.“, rechtfertigt die renommierte Akutmedizinerin die anstehenden Einschränkungen in der mobilen Notfallrettung.

Liebe(r) Leser(in)! 

Es wäre erschütternd, wenn das keine Satire, sondern Realität wäre? Es ist Realität. Das ist exakt die Situation, in der sich die Hilfsorganisationen befinden, die in den letzten Jahren tausende Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet haben. Die Menschen, die von Afrika aus nach wie vor von kriminellen Schleppern auf das Mittelmeer geschoben werden, haben nun keine Hilfe mehr zu erwarten.

Kommen Sie am 17.08.2018 um 20:30 Uhr zur Mahnwache am Rathausplatz Ingolstadt oder zu einer anderen Veranstaltung von seebruecke.org!